Dipl.-Ing. Christian Thurmaier
Technische Universität München
Geodätisches Institut, Lehrstuhl für Bodenordnung und Landentwicklung

  
Entscheidungsunterstützung für die Wertermittlung in der Ländlichen Entwicklung - Ein neuesEinsatzgebiet für GIS?

  
Abstract

Bisher werden für die Wertermittlung in der Ländlichen Entwicklung in Bayern (früher Flurbereinigung genannt) GIS-gestützte Verfahren zur Entscheidungsunterstützung nicht eingesetzt. Für eine abgesicherte Ermittlung von landwirtschaftlichen Ertragswerten, eine DGM-gestützte Berechnung von Wertminderungen und eine geeignete Bestimmung von Wertflächen zur Einlagewertberechnung sind GIS-gestützte Methoden aber durchaus naheliegend. Drei in einem Forschungsvorhaben untersuchte Methoden werden in den folgenden Abschnitten konzeptionell kurz beschrieben.

 

a) Die für das gesamte ehemalige Reichsgebiet in den 30er bis 50er Jahren durchgeführte Reichsbodenschätzung liefert wertvolle Ergebnisse über die natürliche Ertragsfähigkeit der einzelnen Böden. Eine mathematische Umformung der Wertzahlen entsprechend den heutigen Beurteilungskriterien (in der Programmiersprache MATLAB realisiert) und eine nachfolgende GIS-Integration (ARC/INFO 7.0) dürften für den Leiter der Wertermittlung eine wichtige Grundlage zur Nachvollziehbarkeit der Wertzahlen darstellen.

 

b) Wertminderungen aufgrund der Geländeneigung können GIS-gestützt aus DGM-Daten berechnet werden. Dazu wird aus den DGM-Daten ein TIN erzeugt, das über mehrere Schritte letztendlich in ein Coverage umgewandelt wird, welches als zusätzliche Attribute die Geländeneigung und die entsprechenden Wertminderungen für jeden Einzelstich enthält.

 

c) Als weiterer Schritt im Wertermittlungsverfahren müssen nach Erfassung der Bodenwerte und Wertabschläge bzw. Umrechnung der Reichsbodenschätzung die punktförmig vorhandenen Wertzahlen für die Einzelstiche in Flächen überführt werden. Eine Möglichkeit hierbei ist die Bildung von Thyssen-Polygonen sowie die nachfolgende Ergänzung von Wertabschlagsflächen. Damit könnte die bisherige manuelle Generalisierung der Bodenwerte weitgehend ersetzt werden.

 

Die GIS-gestützten Verfahren tragen damit in Zukunft zur Plausibilität, Güte und vor allem Objektivität der Wertermittlungsergebnisse wesentlich bei und bewirken eine Beschleunigung von Verfahrensabläufen.

 

1. Einführung

Die Flurbereinigung (in Bayern Ländliche Entwicklung genannt) hat hauptsächlich die Förderung der Landeskultur und der Landentwicklung sowie die Neuordnung ländlicher Grundstücke zum Ziel. Als oberster Grundsatz der Flurbereinigung ist der Anspruch jedes Teilnehmers auf Abfindung in Land von gleichem Wert für seine eingebrachten Grundstücke anzusehen. Dazu ist der Wert – für landwirtschaftlich genutzte Flächen ist dies der Ertragswert des Bodens – sämtlicher alter Grundstücke zu ermitteln, wobei gemäß Paragr. 28 des Flurbereinigungsgesetzes die Ergebnisse der Reichsbodenschätzung zugrunde zu legen sind.

Der Tauschwert der Grundstücke setzt sich aus dem reinen Bodenwert und Zu- bzw. Abschlägen zusammen. Abschläge gibt es etwa für Waldrandlagen oder Grundstücke in Hanglage. Dazu wird die Geländeneigung mit einem Gefällsmesser bestimmt. Um nun flächenhafte Bodenwerte für alle Grundstücke bestimmen zu können, werden mit einem Bohrstock in geringem Abstand Bodenprofile entnommen – die sog. Einzelstiche– und nach der Bodenbeschaffenheit bewertet. Diese oft mehrere Tausend Einzelstiche pro Flurbereinigungsverfahren werden dann manuell – d.h. ebenfalls ohne GIS-Unterstützung – zu Flächen einheitlichen Bodenwerts zusammengefaßt.

Für die Wertermittlung ist nach dem Bayerischen Gesetz zur Ausführungdes Flurbereinigungsgesetzes (AGFlurbG) der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft zuständig; er hat unabhängige Sachverständige beizuziehen.

Die Verwaltung für Ländliche Entwicklung in Bayern erstellt als Grundlage für die Bodenordnung eine parzellenscharfe digitale Wertermittlungskarte; Abb. 1 zeigt einen Ausschnitt einer Wertermittlungskarte, die hier mit ARC/INFO erzeugt wurde.


Abbildung 1

 

In einem Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Bodenordnung und Landentwicklung der TU München, das vom Bereich Zentrale Aufgaben der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung in Auftrag gegeben worden ist, wurden GIS-gestützte Methoden in der Wertermittlung erprobt. Nachfolgend stelle ich Ihnen kurz drei Möglichkeiten vor, wie mit Hilfe eines GIS Entscheidungsgrundlagen für den Leiter der Wertermittlung bereitgestellt werden können. Zum ersten ist die Umrechnung der Ergebnisse der Reichsbodenschätzung in heutige Verhältnisse zu nennen (Abschnitt 2), als zweites kommt eine GIS-gestützte Berechnung von Wertminderungen wegen Hangneigung in Betracht (Abschnitt 3) und zuletzt wird eine automatische Erzeugung von Wertflächen erprobt (Abschnitt4).
 

2. Umrechnung der Ergebnisse der Reichsbodenschätzung

2.1 Was ist die Reichsbodenschätzung?

Die Reichsbodenschätzung (RBS) wurde in den 30er bis 50er Jahren dieses Jahrhunderts einheitlich für das gesamte Reichsgebiet durchgeführt und stellt Informationen über die verschiedenen Böden sowie deren natürliche Ertragsfähigkeit bereit. Wirtschaftliche Ertragsbedingungen sollten dabei ganz bewußt keine Rolle spielen. Da für die einzelnen Nutzungsarten unterschiedliche Bewertungskriterien zur Anwendung kommen mußten, teilte man die Böden ein in einen

 

  • Ackerschätzungsrahmen sowie einen
  • Grünlandschätzungsrahmen.

Ausgehend von diesen Rahmen wurde jedem Boden im Reichsgebiet durch Feldvergleich eine relative Wertzahl zugeordnet. Für Ackerland wurde sie Bodenzahl (max. 100 Punkte) und für Grünland (max.88) entsprechend Grünlandgrundzahl bezeichnet. Die Schätzer nahmen im Abstand von ca. 40-60m annähernd in einem quadratischen Raster Bodenproben von bis zu 1 m Tiefe. Bei der in der Praxis mitunter recht schwierigen Einteilung und Bewertung der Böden waren chemisch-physikalische Eigenschaften des Bodens, z.B. Ausbildung des Bodenprofils, Korngrößenverteilung, Übergang der Bodenhorizonte, Bodengefüge, Anteile von Kalk, Humus und sonstigen Nährstoffen, Durchlüftung und Bearbeitbarkeit des Bodens, Wasserverhältnisse und weitere Kriterien ausschlaggebend. Man versuchte deshalb, den Boden nach den folgenden gut erfaßbaren Kriterien weiter zu unterteilen:

 

  • Bodenart (Unterscheidung in sandige, lehmige und tonige Böden mit Zwischenstufen)
  • Zustandsstufe (diese kennzeichnet den Entwicklungsgrad eines Bodens)
  • Entstehung (läßt eine Einteilung nach geologischer Entstehungsgeschichte zu; gilt nur beim Ackerschätzungsrahmen)
  • Wasserverhältnisse (kennzeichnet die Verfügbarkeit von Wasser in mehreren Stufen; gilt nur beim Grünlandschätzungsrahmen)
  • Klimaverhältnisse (wird in mittlerer Jahrestemperatur angegeben; gilt nur beim Grünlandschätzungsrahmen)

Für die Ertragsfähigkeit aller in Deutschland vorkommenden landwirtschaftlichen Böden steht somit eine umfassende – aber leider nur analoge – Datengrundlage zur Verfügung. Das größteProblem liegt aber darin, daß sich die Wertrelationen seit den 30erund 40er Jahren verändert haben. Insbesondere schwere Böden werden heute ganz anders beurteilt als noch zur Zeit der Reichsbodenschätzung. Diese Wertverschiebungen und die Tatsache, daß nur eine relativ grobmaschige Bewertung stattfand, machen eine direkte Verwendung der Daten in der Flurbereinigung zumindest fragwürdig, wenn nicht gar unmöglich.

2.2    Umformung der Reichsbodenschätzung durch Polynomausgleichung

Anstelle einer direkten Verwendung der Wertzahlend er Reichsbodenschätzung ist eine Umformung in bezug auf die heutigen Wertverhältnisse sinnvoller. Im Flurbereinigungsverfahren Mariakirchen in Niederbayern wurden daher exemplarisch Wertzahlen aus der Reichsbodenschätzung in Tauschwerte für die Flurbereinigung umgeformt. Für die Artder Umformung wurden verschiedene Funktionen berechnet: Geraden-, Exponential-, Logarithmische, Potenzfunktion sowie eine vermittelnde Polynomausgleichung. Als Stützpunkte für die vermittelnde Polynomausgleichung fungierten sog. Mustergründe. Diese besonders repräsentativen Mustergründe, deren Werte bereits in der Reichsbodenschätzung vorliegen, werden für heutige Verhältnisse neu bewertet. Sie existieren also sowohl im System der Reichsbodenschätzung als auch in der aktuellen Flurbereinigung und werden demgemäß auch als identische Punkte bezeichnet. Die Mustergründe bilden sozusagen den Rahmen der Wertermittlung und sollen möglichst alle vorkommenden Böden nach Bodenart und Zustandsstufe sowie eine große Breite des Wertzahlenspektrums umfassen.

Aus den Verbesserungsgleichungen der vermittelnden Ausgleichung werden die unbekannten Polynomkoeffizienten berechnet. Damit können dann für alle vorkommenden Wertzahlen der Reichsbodenschätzung umgeformte Bodenwerte für die Flurbereinigung abgeleitet werden.
 

2.3    Realisierung in MATLAB und ARC/INFO

Der mathematischeTeil der Umformung wurde in der matrixorientierten Sprache MATLAB programmiert. Als Eingabedaten standen die Vektoren R (Wertzahlen der Reichsbodenschätzung) und F (Wertzahlen der Flurbereinigung) jeweils für die Musterböden zur Verfügung. Als Resultat erhielt man die umgerechneten Wertzahlen aller Lehmböden innerhalb des für die Reichsbodenschätzung gültigen Wertebereichs und die entsprechenden Umrechnungskurven. Die Umrechnungsfunktion für die Ackerböden (s. Abb. 2) unterscheidet sich dabei naturgemäß von der der Grünlandböden (s. Abb. 3). In den beiden Abbildungen stellen die roten bzw. grünen Punkte die Mustergründe des Ackerschätzungsrahmens bzw. Grünlandschätzungsrahmensdar.


Abbildung 2


Abbildung 3

Zusätzlich wurde eine Tabelle mit den umgerechneten Werten an ARC/INFO übergeben. Die Tabelle kann nun mit ein paar Zwischenschritten als INFO-Tabelle von ARC/INFO beispielsweisein ein Relate eingelesen werden. Im Coverage, in dem als Datenbankinformation die Wertzahlen der Reichsbodenschätzung enthalten sind, lassen sich auf einfache Weise (durch Aufruf der Relate-Beziehung) die umgerechneten Bodenwerte darstellen (s. Abb. 4).


Abbildung 4

 

2.4    Nutzen

Wie kann jetzt der Wertermittlungsfachmann die mathematisch umgeformten Daten nutzen?

Die in der Abb. 4 dargestellten umgerechneten Bodenwerte können nun beispielsweise ganz oder in Teilbereichen übernommen oder durch Stichproben im Feld verifiziert werden. Zu entscheiden hat in Bayern darüberletztlich der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft. Der genannte Feldvergleich könnte auf jeden Fall als vertrauensbildende Maßnahme angesehen werden und die teils groben Ausgangswerte der Reichsbodenschätzungsinnvoll ergänzen.
 

3. GIS-gestützte Berechnung der Wertminderungwegen
    Hangneigung

3.1 Warum Wertminderung?

Wertminderungen erhalten Grundstücke, die eine Geländeneigung aufweisen, und zwar vor allem deshalb, weil sie schwerer zu bewirtschaften sind und der Ertrag gegenüber ebenen Lagen geringer ausfällt. Dazu ist natürlich eine exakte Erfassung der Geländeneigung erforderlich. Statt wie bisher mit dem Gefällsmesser kann die Neigung auch durch Nutzung von Daten eines Digitalen Geländemodells (DGM) bestimmt werden. Dadurch vermeidet man Ungenauigkeiten, die bei der manuellen Messungaus verschiedenen Gründen auftreten.
 

3.2    Berechnungsschritte in ARC/INFO

Die Berechnung von Wertminderungen wegen Geländeneigung in ARC/INFO erfolgt in mehreren Schritten:

1.Schritt

Importieren der DGM-Datenals Gitter aus einer ASCII-Datei mit x-,y-,z-Koordinaten in ARC/INFO mit Hilfe von asciigrid (d.i. Erstellung eines Lattice aus ASCII-Daten) oder

Erzeugung eines TIN in Gitterform (gleichabständige Punkte) mit createtin. In diesemFall können als zusätzliche Ausgangsinformation Strukturdaten (z.B. Hangkanten oder Geripplinien) als sog. breaklines eingeführt werden. Dadurch wird die Genauigkeit verbessert.

Hier ein Drahtgittermodell, das die Höhenverhältnisse im Verfahrensgebiet mit 4-facher Überhöhung wiedergibt:


Abbildung 5

 

2.Schritt

Bilineare Interpolation der Höhen aus dem DGM (gleichmäßig verteilte Punkte) auf die Einzelstiche der Wertermittlung (beliebig verteilte Punkte). Die Einzelstiche sind die mit dem Bohrstock genommenen Bodenproben. Die Interpolation erfolgt mit latticespot bzw. tinspot. Die interpolierten Höhen werden im Coverage mit den Einzelstichen abgelegt.

 

3.Schritt

Erzeugung eines weiteren TIN. Grundlage sind jetzt die Geländehöhen aus dem Coverage mit den Einzelstichen der Wertermittlung (aus 2.). Ergebnis ist eine Dreiecksvermaschung, bei der die Dreieckspunkte die Einzelstiche jetzt mit den tatsächlichen Geländehöhen darstellen (Abb.6).


Abbildung 6

 

4.Schritt

 

Berechnung der Neigungen zu den benachbarten Einzelstichen durch Umwandlung des TIN in ein Liniencoverage. Dies geschieht durch tinarc. Damit werden die Dreiecksseiten des TIN in arcs umgewandelt. Den arcs werden die Neigungen der Dreiecksseiten zugeordnet.

5.Schritt

 

Überführung des Liniencoverage in ein Punktcoverage. Dies ist deshalb notwendig, da die Neigungen direkt an den Punkten der Einzelstiche benötigt werden. Mit der Routine arcpoint werden die Neigungen der Linien (aus 4.) als Attribute den Punkten hinzugefügt.

6.Schritt

 

Zuordnungder Wertminderungen zu den entsprechenden Geländeneigungen. Die Wertminderungen sind umso höher, je größer die Geländeneigung ist. Über die Höhe der Wertabschläge entscheidet wiederum der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft. Er kann etwa beschließen, daß erst ab einer Neigung von 6% ein Wertabschlag zu vergeben ist.

 

Die folgende Darstellung zeigt die Einzelstiche mit den reinen Ertragswerten, die von den Sachverständigen bestimmt wurden, und die mit ARC/INFO aus den DGM-Daten berechneten Wertminderungen wegen Geländeneigung.


Abbildung 7

 

3.3    Nutzen

Die GIS-gestützte Hangneigungsberechnung kann die umständliche manuelle Ermittlung der Geländeneigung mit dem Gefällsmesser ablösen. Sie liefert damit eine gute Basis für die anschließende Wertberechnung. Für die Qualität der Ergebnisse ist allerdings die Genauigkeit der DGM-Ausgangsdaten entscheidend. Die DGM-Ausgangsdatensollten mindestens mit einem interpolierten Gitterabstand von 10m vorliegen. Ein DGM-Gitter mit einem Gitterabstand von 40m ist für die Wertermittlung nicht ausreichend!
 

4.    GIS-gestützte Erzeugung von Wertflächen

Als letzte Methode ist die GIS-gestützte "automatische" Erzeugung von Wertflächen aus Einzelstichen nennen.
 

4.1    Datengrundlage

Die reinen Bodenwerte der Einzelstiche werden in ARC/INFO zunächst nur gegebenenfalls mit Wertminderungen wegen Geländeneigung versehen. Damit erhält man die wegen Hangneigung verminderte Wertzahl (s. Abb.8). Dies ist die Ausgangsbasis für die GIS-gestützte Wertflächenbildung. Weitere Wertzu- oder Abschläge sind von flächenhafter Natur (z.B.Waldabschlag oder Leitungen) und werden erst zu einem späteren Zeitpunkt angebracht.


Abbildung 8

 

4.2    Realisierung in ARC/INFO

4.2.1    Thyssen-Polygone

Die Wertflächen werden in ARC/INFO automatisch durch sog. Thyssen-Polygonegebildet. Thyssen-Polygone entstehen aus Punkten, in unserem Fall aus den Einzelstichen der Wertermittlung. Das Thyssen-Polygon bzw. Voronoi-Polygon eines Punktes Pi ist definiert als Begrenzungspolygon der Menge aller Punkte der Ebene, die näher bei Pi liegen als bei irgendeinem anderen Punkt der Menge. Die Gesamtheit alller Thyssen-Polygone bildet dann das Voronoi-Diagramm. Diese Polygonstruktur verkörpert eine geometrische Flächenstruktur, die die Nachbarschaftsbeziehungen der originären Punkte exakt wiedergibt.

Der erste Schritt zum Aufbau einer Thyssen-Polygonstrukturim GIS ist ein TIN. Für den GIS-Benutzer bleibt allerdings die TIN-Konstruktion unsichtbar, da sie nur ein Zwischenergebnis bis zur Erzeugung des Endprodukts darstellt und bei der Polygonerzeugung automatisch durchgeführt wird. Im TIN werden infolge der Dreiecksvermaschung die Verbindungen zwischen den Punkten generiert mit dem Ziel, möglichst gleichmäßig geformte Dreiecke zu erhalten. Das geschieht durch die Delauney-Triangulation. Sie erfüllt die Bedingung, die minimalen Winkel der Dreiecksseiten zu maximieren und stellt so die Forderung nach annähernd gleichseitigen Dreiecken sicher. Die Punktverbindungen, also die Dreiecksseiten stellen jetzt die Ausgangssituation zur Bildung der Thyssen-Polygone dar. Für alle Dreiecksseiten werden sodann die Mittelsenkrechten bestimmt. Die nächstliegenden Schnittpunkte der Mittelsenkrechten bilden die Knickpunkte der Polygone; die Polygonseiten setzen sich folglich aus den Mittelsenkrechten zusammen. Zugleich wird eine Polygon-Attributtabelle generiert. Die Polygone erhalten als Attribut die Wertzahl den Wert des inliegenden Einzelstichs. Damit ist die Erzeugung der Thyssen-Polygone abgeschlossen.

 

4.2.2    Einfügen von Sonderflächen

Jetzt können die angesprochenen flächenhaften Zu- und Abschläge angebracht werden: Dabei handelt es sich um Flächen von Wegen, Straßen, Gewässern, Biotopen und ähnlichen Strukturen, Wald, Überspannungen, Verkehrswertflächen o.ä., die einen besonderen Wert erhalten. Man nennt sie auch Sonderflächen. Der Wertdieser Flächen läßt sich nicht aus Einzelstichen ableiten, sondern ergibt sich aus der besonderen Funktion und kann daher nicht unmittelbar aus der Bodengüte gefolgert werden. Soweit die Umgrenzungen dieser Flächen digital vorliegen, kann das Thyssen-Polygoncoverage durch update mit den Sonderflächen aktualisiert werden.

Danach werden dieaneinandergrenzenden Polygone mit gleichen Wertzahlen miteinander verschmolzen, so daß sie durch ein einziges Polygon repräsentiert werden. Dies geschieht mit dissolve. Die Grenzen derartiger Flächenw erden hiermit aufgelöst. Eine Generalisierung von Wertflächen, also die Zusammenfassung von Wertflächen mit ähnlichen (aufeinanderfolgenden) Nettowertzahlen, findet nicht statt. Die endgültigen Thyssen-Polygone mit den Sonderflächen sowie die Einzelstiche veranschaulicht die folgendeAbbildung.


Abbildung 9

 

4.3    Alternative Methode

Neben der Methode der Thyssen-Polygone gibt es andere Möglichkeiten, aus Punkten Flächen gleichen Werts zu erzeugen. Eine Möglichkeit wäre, die Bodenwerte der Einzelstiche quasi als Geländehöhen aufzufassen und aus diesen "Geländehöhen" Isolinien der Bodenwerte zu berechnen. Daraus könnte ein "Bodenwert-Isolinien-Modell" abgeleitet werden.

4.4    Nutzen

Welchen Nutzen zieht man von einer solchen automatischen Methode? Die GIS-gestützte Erzeugung von Wertflächen mit Thyssen-Polygonen hat den Vorteil, daß sie mathematisch eindeutig nachvollziehbar, daher objektiv ist und sehr schnell durchgeführt werden kann. Sie könnte damit eine manuelle Vorgehensweise ersetzen. Die "Generalisierung von Hand" hat zwar in Bayern Tradition, ist aber sehr stark vom jeweiligen Bearbeiter abhängig und außerdem ziemlich zeitaufwendig. Eine Akzeptanz der GIS-gestützten Methode wird dadurch erreicht, daß das Ergebnis lediglich als Vorschlag des Computers angesehen wird, der vom Bearbeiter jederzeit noch angepaßt werden kann.
 

5.    Fazit

Die Verwendung der Reichsbodenschätzung für die Flurbereinigung, die GIS-gestützte Berechnung der Wertminderung wegen Hangneigung und die GIS-gestützte Erzeugung von Wertflächen sollen vor allem zur Entscheidungsunterstützung für den Leiter der Wertermittlung und zur Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse dienen. Letzteres ist insbesondere für die Akzeptanz der Wertermittlung bei den am Verfahren Beteiligten sehr bedeutsam. In jedem Fall – und das ist entscheidend für die Gestaltungsfreiheit – hat der Bearbeiter die Option, die vorgeschlagenen Ergebnisse noch abzuändern, z.B. den umgerechneten Bodenwert im Feldvergleich zu korrigieren oder Grenzen von Wertflächen zu verschieben bzw. aufzulösen.